Das erste Zusammentreffen mit Fritz Walter.
Nachdem ich bereits seit meiner Kindheit Autogramme gesammelt habe und mir die Fussball-Legende Fritz Walter lediglich aus der Distanz von Autogrammstunden bei der Sparkasse, von Stadionbesuchen auf dem Betzenberg oder von kurzen Begegnungen an Bahnhöfen bekannt war, lernte ich ihn und seine Frau Italia 1993 näher kennen.
Ich war damals als junger Augenoptikermeister Geschäftsführer eines Filialbetriebs in Enkenbach-Alsenborn. Eher zufällig erschien eines Nachmittags das Ehepaar Walter und wurde von mir mit neuen Sehhilfen ausgestattet. Auffällig war für mich schon damals mit welcher Freundlichkeit und keinerlei Anflug von Arroganz die beiden mir gegenüber auftraten.
Verschiedene FCK- Profis die mit ihren Partnerinnen seinerzeit auch zu meiner Kundschaft zählten, traten dagegen oft eher affektiert auf. Schon der Umgang der Eheleute Walter untereinander war derart herzlich, dass es sich durchaus auch um ein frischverliebtes junges Paar hätte handeln können. Die gegenseitige Ansprachen mit „Schätzje“ bzw. „Schuggolino“ waren da nur Mosaiksteinchen in einem tollen Gesamteindruck, den beide hinterließen.
Kurz: Solche musterhaften Kunden, die sich gerne und unbefangen beraten ließen, hätte ich mir häufiger gewünscht. Ein solch nettes Auftreten wäre auch bei jedem andern Otto-Normalkunden auffällig gewesen , auch wenn dieser nicht prominent gewesen wäre.
Fritz war wirklich der Anti-Star. Einfach einer wie Du und ich.
Wochen später erschien Fritz kurz vor meiner Mittagspause mit einer völlig deformierten und gebrochenen Brillenfassung. Seine Frau lag im Krankenhaus und er stand offensichtlich unter Termindruck. Er brauche die Brille unbedingt, da er morgen einen Termin beim DFB habe und zuhause Berge Autogrammpost warteten. Ich versprach die Brille notdürftig zu reparieren bis entsprechender Ersatz in ein paar Tagen verfügbar sei. Er wollte die Brille 2 Stunden später wieder abholen. Da sein Fahrer aber mittlerweile schon weg war und er die Brille auf dem Heimweg schlicht vergessen hatte, rief er mich aufgeregt an. Er entschuldigte sich bei mir, dass er mich quasi unter Zeitdruck gesetzt habe, ich meine Mittagspause geopfert hätte und er dann nicht pünktlich gekommen sei. Ich setze mich ins Auto und brachte das Nasenfahrrad im Hause Walter vorbei. Er empfing mich mit offenen Armen. Nachdem ich ein Gläschen Fritz Walter Sekt an der Hausbar geleert hatte und als weitere Wiedergutmachung mit 3 verschiedenen Flaschen Sekt beschenkt wurde, zog ich von dannen.
Fortan fanden alle geschäftlichen Abwicklungen in Form von Hausbesuchen meinerseits im Hause Walter statt .
Kurz bevor ich mich 1995 als Augenoptiker selbständig machte , erzählte ich Herrn Walter von unserem Vorhaben.
Nachdem er den Termin erfragt und mir viel Glück gewünscht hatte, bot ich ihm an, dass gerne Alles beim Alten bleibe und ich ihn auch weiterhin als Kunden betreuen möchte ,wenn auch die Anfahrt zu ihm nach Hause künftig etwas weiter sein werde. Schließlich fragte ich ihn, was er denn für eine Autogrammstunde fordere, da dies ein Super-Event für meine Geschäftseröffnung sein könne.
Worauf er mich an sich drückte und spontan in seiner unnachahmlichen lauterer Mundart antwortete: „ Du hast schon so viel für uns getan. Ich komme !!!
Bub , mach dir darum mal keinen Kopf. (Fingerreiben) Wir werden uns schon einig !
Kaufe lieber ein paar Fläschchen Sekt mehr für deine Kundschaft !“
Wir wurden uns einig und die Autogrammstunde wurde ein toller Erfolg. Die Gemeinde Bellheim stand Kopf und die Autogramm –Stunde dauerte keine 60 Minuten , wie das heute üblich ist, sondern fast 2 ½ Stunden, bis auch der letzte Besucher sein Autogramm hatte.
Aus diesem anfänglich rein geschäftlichen Kontakt entwickelte sich bald eine persönliche und freundschaftliche Beziehung, geprägt von gegenseitiger Sympathie und einer menschlichen Wärme, wie sie mir außerhalb der Familie nur selten zuteil wurde.
Lange persönliche Gespräche mit ihm und seiner Frau Italia bleiben mir ebenso unvergessen, wie die Ehre zum 75. und 80-igsten Geburtstag eingeladen zu sein. Auch meine Frau und schließlich auch unsere Kinder wurden mit offenen Armen empfangen.
Parallel zu der Entwicklung begann ich jede Information über Fritz Walter aus Büchern , TV- Dokumentationen usw. regelrecht aufzusaugen und zu archivieren. Außerdem kaufte ich auf Flohmärkten, Börsen und Auktionen diverse Erinnerungsstücke .
Kontakte zu anderen Sammlern aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz inklusive.
Oft überraschte ich Fritz mit Gegenständen die ich ihm zum Signieren vorbeibrachte, die er zuvor noch gar nicht kannte.
Auch zu seiner Frau Italia hatte ich ein sehr gutes Verhältnis.
Personen die Italia nicht mochte, blieb die Tür ins Haus Walter verschlossen, egal ob es sich um Verwandte , Mitarbeiter der Presse oder Prominente handelte. Wer auch ihre Wertschätzung erfuhr, durfte sich geadelt fühlen.
Ich bin stolz diese beiden großartigen Menschen kennengelernt zu haben. Sie haben mir menschlich sehr viel gegeben und werden mir stets Vorbild sein.
Hagen Leopold, trägt sich am ersten Todestag von Fritz Walter 2003, in das Kondolenzbuch auf dem Betzenberg ein.