"Fußballzeitreise"-Verein in Tabarz: Anekdoten um das runde Leder
Porträt
- Mit Leidenschaft bei der Sache: Damit kann Marcel Wedow sogar Fußballgrößen wie Uwe Seeler für die Unterstützung seines Tabarzer Museums gewinnen. Foto: Fußballzeitreise
Er ist Geschichtenerzähler aus Leidenschaft. Wenn Marcel Wedow die Stimmung der deutschen Nationalmannschaft in Bern im Jahr 1954 lebendig werden lässt, vergessen die Zuhörer schnell, dass der 43-jährige damals noch gar nicht geboren war. Gothaer Kreis. Sein Vater Karl-Heinz erlebte das Wunder von Bern als 19-Jähriger. Die Glaubhaftigkeit seines Sohnes liegt auch darin, dass er sich nichts angelesen hat, dass er auf längst bekannte Anekdoten verzichtet. Was er erzählt, haben ihm die Protagonisten von damals nicht selten im Vieraugengespräch anvertraut. Und sie haben ihn zum Abschied auch das eine oder andere Erinnerungsstück in die Hand gedrückt. Diese hat der fußballbegeisterte junge Mann sorgsam gehütet. Als er genügend Devotionalien zusammengetragen hatte, eröffneten Vater und Sohn in Tabarz ein kleines Museum und nannten ihre Ausstellung "Fußballzeitreise".
Elf Freunde statt viel zu viel falscher Ehrgeiz
Das war 2010, pünktlich zum Start der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Schon bald jedoch reichte der umgebaute Kuhstall nicht mehr aus. Die Sammlung wuchs stetig. Vor allem, weil Wedow immer wieder Kontakt zu Fußballgrößen aus Gegenwart und Vergangenheit suchte. Und es sprach sich bei Vereinen und Profis schnell herum, dass da kein Spinner unterwegs ist, sondern einer, der für seinen Sport brennt. Vom ersten Tag an ist der Eintritt ins Fußballmuseum frei. Gegen Spenden allerdings wehrt sich der Betreiber nicht. Obwohl, zum Unterhalt der kleinen Ausstellung braucht er sie nicht zwingend. Und so sammelte er das Geld sorgsam und stellte es Vereinen der Region für die Nachwuchsarbeit zur Verfügung, ohne auch nur einen Cent für irgendwelche Verwaltungsarbeit einzubehalten. Allerdings seit die Fußballzeitreise kein Spendensammelverein, sagt Marcel Wedow, der als Industriemechaniker sein Geld verdient. Obwohl seit 2010 beachtliche 6321,57 Euro zusammenkamen. "Wir haben immer für ein bestimmtes Projekt ein halbes Jahr lang gesammelt", erläutert Wedow. Letzthin bekam Westring Gotha 400 Euro für seine Jugendarbeit. Aber auch für Kindergärten in der Region oder für eine Familie aus Fischbach, deren Sohn Benedikt plötzlich erkrankte und deren Haus behindertengerecht umgebaut werden musste, kam finanzielle Hilfe aus dem Fußballmuseum. Wedow sammelt nicht nur Geschichten und Erinnerungsstücke. Ihm geht es um die Tugenden, die Fußball ausmacht: Kameradschaft und Freude am Spiel. "Herberger sagte, elf Freunde müsst ihr sein, doch das geht oftmals in falsch verstandenen Ehrgeiz unter", beklagt Wedow. Das zu leben will er besonders dem Nachwuchs vermitteln.
Bundesligisten und Rot-Weiß-Erfurt sind Unterstützer
Dieser Gedanke fällt auch bei den Profis auf fruchtbaren Boden. Zahlreiche Bundesligavereine unterstützen den Thüringer längst bei seinem Anliegen, darunter der FC Bayern München, der Hamburger SV und auch Werder Bremen. Drittligist Rot-Weiß Erfurt ging besonders mit Blick auf die soziale Arbeit eine Kooperation mit dem kleinen Tabarzer Museum ein.Am Freitag sitzt Marcel Wedow in Hamburg im Café zur Raute, dem Fan-Restaurant des HSV, mit Oliver Scheel an einem Tisch. Im Gespräch mit dem HSV-Vorstand geht es um die künftige Form der Zusammenarbeit. Allerdings vertreten Vater und Sohn Wedow hier nicht mehr allein das thüringische Fußballmuseum. Im Frühjahr dieses Jahres gründete sich der Verein Fußballzeitreise. Mittlerweile sind 17 Mitglieder eingetragen. Zehn davon reisen am Freitag nach Hamburg. Sie freuen sich - neben dem Gespräch mit Scheel - auf ein Treffen mit Uwe Seeler und das Nordderby gegen Werder. Christina Dietzel ist nicht wirklich fußballverrückt. Obwohl sie die Vorsitzende des Vereines Fußballzeitreise ist. "Mich interessiert die Geschichte des Fußballs", sagt sie. Deshalb machte sie sich auch von Bad Berka auf den Weg ins Tabarzer Museum. Dass sie der Besuch dort zur Vereinschefin machen würde, war nicht eingeplant, aber folgerichtig. "Als ich hörte, was Marcel alles auf die Beine stellte, wollte ich mitmachen." Allerdings war der Finanzfachfrau auch bewusst, dass für eine effektivere Arbeit die Strukturen verändert werden müssen. "Schon allein, weil Marcel und sein Vater die Arbeit gar nicht mehr bewältigen konnten."
Der Prophet gilt wenig im eigenen Land
Neben den Führungen durchs Museum hält Wedow regelmäßig eine Reihe von Vorträgen. Und zu unterschiedlichsten Veranstaltungen reist er mit seinem Schussmessgerät an. Da wird dann versucht, den Rekord von 119 Kilometer pro Stunden zu überbieten. "Kurz über lang hätte das Ein-Mann-Unternehmen längst nicht mehr alle Wünsche erfüllen können." Im Verein aber, so Dietzel, können sogar die Aktivitäten ausgeweitet werden "Und wir sind in der Lage für unsere Projekte Fördergelder zu beantragen." Die Mitglieder des jungen Vereins kommen aus ganz Deutschland. Schatzmeister Röse lebt in Frankfurt am Main, mit Gunter Völker hat der Verein sogar ein Mitglied im Irak. Darüber freut sich Marcel Wedow natürlich. Aber es zeigt auch ein wenig, dass der Prophet im eigenen Land wenig gilt. In Tabarz findet er bei anderen Vereinen kaum Resonanz, weder Vertreter vom Kreisfußballausschuss Westthüringen noch vom Thüringer Fußballverband fanden Zeit, sich das Museum anzusehen und mit ihm über sein Ehrenamt zu reden. "Das macht schon ein wenig traurig."