Auf den Spuren der Weltmeister von 1954, Teil 1

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Aktivitäten

Nils Schwalbe berichtet vom 1. Tag unserer Vereinsfahrt:

„Wir wollten Weltmeister werden!“

Kaiserslautern an einem Freitag im September: Einige Mitglieder der Fussballzeitreise begeben sich am 11.09.2015 auf die Spuren der Weltmeister von 1954, den Helden von Bern. Es ist früher Nachmittag, wir haben Glück, es ist nicht „dem Fritz sei Wetter“, wir haben strahlenden Sonnenschein. Wir treffen uns mit Frau Kehl, der früheren Sekretärin von Fritz Walter vor dem Hauptfriedhof in Kaiserslautern.

Erster Anlaufpunkt ist das Grab von Fritz Walter, das sehr groß und auffällig gestaltet ist. Es beeindruckt, wie dieser Mensch beeindruckt hat. Fritz Walter ist Ehrenbürger der Stadt Kaiserslautern, das Grab wird von dieser gepflegt und hergerichtet. Besonderheit am Grab ist ein Schal an einer Figur vom Weltmeister, der regelmäßig von Fans erneuert wird, um immer ein vernünftiges Erscheinungsbild zu gewährleisten.

Unser nächstes Ziel ist das Grab von Ottmar Walter, seinem Bruder, welches deutlich unscheinbarer ist, als das von Fritz.
Marcel und Christina legen ein Bukett nieder.

Ottmar Walter ist sehr eng mit der Fussballzeitreise verbunden, er hat Marcel dazu bewegt diesen Weg in Angriff zu nehmen. Marcel erzählt uns von seinen Begegnungen mit dieser Legende und auch Frau Kehl berichtet uns von der Bescheidenheit und Gutmütigkeit dieses einzigartigen Menschen.

Anschließend besuchen wir das Familiengrab der Familie Liebrich, hier findet ebenfalls ein Weltmeister, Werner Liebrich, seine letzte Ruhe.
Wir sind ehrfürchtig und beeindruckt von der Leistung, welche diese Menschen im Jahre 1954 vollbracht haben.

Wir ziehen weiter auf den legendären Betzenberg. Dort angekommen besuchen wir den Fanshop des 1. FC Kaiserslautern und schauen uns am Stadion um.

Hier dreht sich ebenfalls noch alles um die Weltmeister von 1954: Die Eingangstore tragen deren Namen, es gibt Statuen dieser Legenden, die Getränkebecher tragen Ihre Gesichter und auch im Fanshop kann man nach über 60 Jahren noch Souvenirs von den legendären Champions erwerben.
Es sind noch 1,5 Stunden bis zum Spiel der 2. Bundesliga 1. FC Kaiserslautern gegen den SC Freiburg. Das Stadion füllt sich und wir haben einen Termin, auf den wir schon lange hin fiebern: Wir treffen Horst Eckel, einen der Weltmeister von 1954, einen Spieler der maßgeblichen Anteil am Wunder von Bern hatte, vielleicht dem größten Moment deutscher Fußballgeschichte.

Doch es gibt Probleme: Seine Tochter hat einen kleinen Unfall, als sie auf dem Weg ist, ihn abzuholen, er wird sich verspäten. Es folgt für uns banges Warten, wir hoffen, dass der Termin gehalten werden kann, wir haben uns so sehr darauf gefreut. Doch Horst Eckel gelangt nicht rechtzeitig ins Stadion und wir hinterlassen bei den freundlichen Hostessen unsere Daten. Kurze Zeit später, gleich beginnt das Spiel, kommt der ersehnte Anruf. Horst Eckels Tochter ruft an und teilt uns mit, dass wir ihn gern nach dem Spiel treffen können - Wir alle sind erleichtert.

Die Zweitliga-Begegnung ist durchwachsen, 90 Minuten eher Krampf statt spielerische Glanzpunkte, am Ende verliert Kaiserslautern mit 0 zu 2, durch die Tore von Abrashi und Nils Petersen auf Seiten des SC Freiburg. Wir sind dennoch beeindruckt von der Stimmung und dem Flair in diesem ehrwürdigen Stadion.

Unseren Höhepunkt des Spiels gibt es in der Halbzeit: Der Stadionsprecher begrüßt „Die Fussballzeitreise aus Thüringen!“ – Gänsehaut pur! Und wir sind sehr stolz!

Nach dem Spiel soll nun der große Moment folgen, wir dürfen endlich in den VIP-Bereich, werden per Aufzug zu den Logen gefahren. Wir betreten einen Gang und werden in den VIP-Raum geführt: Da steht er: Horst Eckel - ein Weltmeister, ein Idol, eine Legende! Er ist noch immer begehrt wie eh und je, schreibt Kindern geduldig Autogramme. Wir werden von ihm und seiner Tochter begrüßt und dürfen Platz nehmen.

Auch uns gibt der Weltmeister Autogramme, es ist ein besonderer Moment für uns alle, denn die WM 1954, das Wunder von Bern ist nun einmal der Ursprung der Ausstellung und des Vereins.

Wir kommen ins Gespräch mit Horst Eckel, die meisten Fragen zielen sofort auf die Weltmeisterschaft in der Schweiz ab und mit großer Freude und voller Leidenschaft berichtet er uns davon: „Auch wenn wir in der Vorrunde mit 3 zu 8 verloren haben, wir sind in das Finalspiel gegangen, um Weltmeister zu werden! Wir hätten beim Stand von 0 zu 2 nach 8 Minuten aufgeben können, denn auch der Vizeweltmeistertitel wäre bereits eine Sensation gewesen. Aber das war nicht das Ziel: Wir wollten Weltmeister werden! Wir wussten, dass wir nicht die besseren Spieler sind, die Ungarn hatten mehrere Jahre kein Spiel verloren, aber wir wussten, dass wir ein Team, eine Mannschaft sind. Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft, viele Spieler haben seit Jahren zusammen gespielt, nicht des Geldes und Ruhmes wegen, wie heute üblich, sondern im Sinne des Sports. Unser Trainer Sepp Herberger und unser Kapitän Fritz Walter waren für mich als jüngsten Spieler Vaterfiguren, bei denen grundlegende Werte an erster Stelle standen. Wir sind nicht Weltmeister geworden, weil wir die bessere Mannschaft waren, wir sind Weltmeister geworden, weil wir Werte wie Kameradschaft, Disziplin und Zusammenhalt 1 zu 1 auf den Platz bringen konnten. Auch beim Rückstand von 0 zu 2 ging es für uns weiter, die Chance auf dem WM-Titel bestand nach wie vor und als wir den Anschlusstreffer erzielen konnten, war uns klar, dass wir die Sensation erreichen können. Es ging ein Ruck durch die Mannschaft. Nach unserem Ausgleich durch Helmut Rahn merkten wir, wie nervös die Ungarn werden, die hatten echte Probleme, damit umzugehen und dies war der Moment als ich wusste, das wir Weltmeister werden. Mit dem 3 zu 2 Siegtor ebenfalls von Rahn war das Spiel für uns nicht beendet, es ging noch einmal ein Ruck durch das Team. Wir wussten, dass das Spiel erst mit dem Abpfiff des Schiedsrichters beendet ist und uns war klar, dass die Ungarn noch einmal alles geben werden. Doch wir konnten den Sieg nach Hause bringen und waren Weltmeister!“

Horst Eckel erläutert uns aber noch mehr. Er erzählt uns von der großen Euphorie nach der Heimkehr. Er berichtet aus seiner Sicht vom heutigen Zweitligaspiel und beantwortet geduldig all unsere Fragen. Danach steht er ebenfalls mit viel Freude und unheimlichen sympathisch für Fotos bereit.

Wir verabschieden uns. Wir sind beeindruckt und müssen das erlebte verarbeiten.

Die Begegnung mit einer solchen Legende hinterlässt bei uns Spuren. Mir ist klarer als je zuvor: „Der Wille allein, kann Berge versetzen.“