Fußballzeitreise beim DFB-Pokalfinale 2015 in Berlin

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Hagen Leopold, Fußballzeitreisender aus Neustadt an der Weinstraße, ist seit 2013 als bundesweit erster Sachverständiger für Fußball-Memorabilia beim BVFS mit nachgewiesener Qualifikation registriert. (Mehr zu Hagen auf unserer HP unter Verein/ Mitgliedsbeiträge)

Er und Marcel gingen am 30.05.2015 auf Reisen.

Hagen berichtet:

Ich bin Marcel bereits seit Jahren freundschaftlich verbunden, aber bisher haben wir uns nur in der Pfalz getroffen. Die Entwicklung von seiner persönlichen Idee bis hin zur „Fußballzeitreise“ durfte ich nicht nur aktiv verfolgen, sondern auch durch die ungetrübte Sicht von Außen beratend begleiten.
Es war mir ein Bedürfnis Marcel auf meine „ Road to Berlin“ einzuladen und an diesem alljährlichen „deutschem Wembley“ teilhaben zu lassen.
Leider war dieses Fußball-Wochenende mal wieder viel zu schnell vorüber.
Doch der Reihe nach.

Nach meiner Anreise aus der Pfalz nach Thüringen gab es erst einmal eine Kaffeepause im Hause Wedow. Da der Pfälzer gemein hin nicht mit leeren Händen anzureisen pflegt, hatte ich neben den Finaltickets auch eine kleine Überraschung für meinen langjährigen Freund im Gepäck.Ein weiteres persönliche Geschenk hatte ich schon lange für meinen ersten Besuch nach Tabarz reserviert. Eine Memorabilie, die vor allem unsere gemeinsamen Idealen und die Bewunderung für die Helden von Bern symbolisieren soll. Eine original Sitzbank vom Finale in Bern WM 1954.

Den Besuch seiner Ausstellung vertagte ich bewusst auf die Heimreise, um nicht in unplanbare Zeitnöte zu geraten. Die gemeinsame Weiterfahrt nach Berlin war wie erwartet kurzweilig, denn unserer Aktivitäten in Sachen Historie gaben jede Menge Gesprächsstoff her.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen zwischen dem Spreeufer und der geschichtsträchtigen Nikolaikirche machten wir uns frühzeitig auf den Weg zum Olympia-Stadion. Es galt die besondere Final-Atmosphäre zu schnuppern. Marcel hatte Final-Premiere, ich hingegen hatte auch bei meinem mittlerweile fünften Finale noch Gänsehauterlebnisse.

Bei meinem ersten Finale 1981 in Stuttgart, gab es noch keine kommerziellen Strömungen. Vor 25 Jahren erlebte ich mein erstes Finale in Berlin, gekrönt vom Pokalsieg meines 1.FC Kaiserslautern gegen Werder Bremen (mit Uli Borowka). 1996 als Zweiligist bezwang der FCK (mit Olaf Marschall) dann den Karlsruher SC. Und 2003 setzte es eine Niederlage gegen den übermächtigen FC Bayern.
Ich hatte dieses Mal das Vergnügen nicht als Fan meines FCK nach Berlin zu reisen, sondern als (fast) neutraler Zuschauer. Meine Sympathien für den Traditionsverein BVB konnte ich nicht verhehlen. Schließlich habe ich auch tiefe Einblicke in die Vereinsgeschichte des BVB erhalten, da ich für das Borusseum selbst Exponate vermitteln konnte und häufig bei dem dort Verantwortlichen zu Gast war.

Nach Schalkäufen und einem Bummel über die Kommerzmeile vorm Stadion, hielten wir uns im Umfeld der SKY - Bühne auf. Hier moderierte mit „Rollo“ Fuhrmann ein bunter und lustiger Zeitgenossen, mit dem ich mich auch immer wieder gerne mal austausche. Dort kamen wir auch mit einem Borussen ins Gespräch und gönnten uns das erste Stadionbierchen (wenn auch zu Bordellpreisen)

Nach einem Shake hand mit dem Geschäftsführer des DFB-Fußballmuseums Manuel Neukirchner der auf der Bühne die Werbetrommel rührte, konnten wir die BVB-Legende Alfred „Aki“ Schmidt dazu bewegen, Marcels mitgebrachtes Zeitreiset-Trikot mit einer weiteren Unterschrift des WM Teilnehmers von 1958 zu veredeln.
Gleiches gelang uns kurze Zeit später auch mit dem Champions-League -Helden und Doppeltorschützen vom Finale 1997 in München, Kalle Riedle.
Kalle - freundlich wie immer, allerdings wurde er fast wie ein gehetzter Hund von Bodyguards getrieben.

Schließlich verließen wir die VW-lastige Sponsorenmeile. Dort wurden VW-Fahnen und Wölfe- T-Shirts kostenlos verteilt. Ob meines BVB-Schals wollte man mir dieses Fähnchen verweigern. Ich erklärte den freundlichen Promotionsteam aber, dass ich diese Fahne und ein Shirt zum Putzen meiner Radkappen brauche! Spaß bei Seite.

Schließlich betraten wir über die historischen Aufgänge den Oberrang dieses altehrwürdigen Kessels. Trotz Umbau zu WM 2006 wurde eine verträgliche Symbiose zwischen einem Stadion der Moderne und dem ursprünglichen Charakter dieser geschichtsträchtigen Sportstätte gewahrt.
Schon in den Treppenhäusern lässt sich Geschichte atmen.

Nachdem wir unserer Plätze eingenommen hatten, erzählte ich Marcel noch etwas über die architektonischen Besonderheiten des Olympiastadions und dessen Vorgängerbauwerks, dem Deutschen Stadion von 1909.
Apropos 1909 !
Mit näher rückendem Anpfiff schwoll die gewaltige Geräuschkulisse durch die 75815 Zuschauer exponential zum Orkan an.

Marcel hingegen wurde immer ruhiger. Wohl von diesem besonderen Rahmen geflashed !
Neben Marcel hatte auch das Hawk Eye, das elektronische kameragestützte Tor-Meldesystem Final-Premiere.
Nach der Eröffnungszeremonie mit Hymne folgten die beeindruckenden Choreos der beiden Fan-Lager, inklusive Pyro-Show der BVB-Ultras.
Wir erlebten eine muntere erste Halbzeit, die bereits das Endergebnis beinhaltete.

Nicht nur für den BVB verging die zweite Spielhälfte viel zu schnell. Das Finale hatte einen würdigen und verdienten Sieger, wenn wir beide uns auch einen gelb-schwarzen Erfolg gewünscht hätten.
Bemerkenswert war ferner, dass es trotz nur sehr angenehm dosierter Polizei-Präsenz keinerlei Randale gab. Schließlich waren 130000 Dortmunder nach Berlin gereist, davon 80000 ohne Aussicht auf ein Ticket.
Respekt BVB, das schafft eben nur ein Traditionsverein.

Am Sonntagvormittag frühstückten wir am Potsdamer Platz. Gemäß Herbergers Motto: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ liefen dort schon die Vorarbeiten für das bevorstehende Champions-League Finale in Berlin: Barca – Juve. Auch dann werden wieder, wenn auch andere Sponsoren das Bild prägen und der Kommerz das Spiel zur Nebensache machen.

Das ist genau der Grund warum Marcel und ich für den Erhalt der alten Werte einstehen. Freude am Spiel, Freundschaft, Kameradschaft und ehrlichen Fußball.
Auf der Rückreise nach Tabarz ließen wir das Erlebte nochmals Revue passieren und unsere Gedanken waren schon beim Montag, dem Relegationsrückspiel KSC- HSV. Der Ausgang ist bekannt, die Geschichte der Rothosen geht weiter. Und Marcel und der Schirmherr der Fußballzeitreise „Uns UWE“ können wieder ruhiger schlafen.

Da das Beste zum Schluss kommt, möchte ich an dieser Stelle mein Statement zum eigentlichen Höhepunkt dieses Fußball-Wochenendes, Marcels Fußball-Ausstellung abgeben:

Marcel hat es mit viel Herzblut geschafft Geschichte für alt und jung, begreiflich, fassbar und anfassbar zu machen.
Hinter fast jedem Exponat steht eine authentische Geschichte, die er auf charmante und kompetente Art für den Betrachter vermitteln kann.
Diese Gabe Geschichte lebendig zu vermitteln spreche ich hingegen manch(em/er) professionellen Museums-Kurator(in) ab.
Auf kleinstem Raum wird in Tabarz ein Mikrokosmos geschaffen, der das Exponat in den Mittelpunkt stellt. Nach Themengruppen, Epochen oder einfach nach Leihgeber oder schenkender Persönlichkeit der Fußball-Geschichte gruppiert.

Keine starre Chronologie, keine an Vereine angelehnte Heroisierung, sondern das gekonnte lebendig halten von den Idealen eines Ottmar und Fritz Walter, eines Uwe Seelers, ohne Heldenkult zu betreiben. Mir viel Sachverstand schafft es Marcel, dass der ältere Besucher seiner eigenen Geschichte begegnet und sich in gleichem Maße Kinder und Jugendlich dafür begeistern. Sie dürfen anfassen und erfassen.

Fragen Sie mal die Zeitzeugen, an welche der Stars sie sich besonders gerne erinnern. Die Vorbilder auf und neben dem Platz, nicht immer die Mega-Stars oder Möchtegern-Stars. Jeder Besucher weiß noch wo er dieses oder jenes Spiel selbst seinerzeit erlebt oder mitverfolgt hat.
Auch da gibt auch da kuriose Geschichten, die es zu dokumentieren gilt.

Miterlebte Fußball-Ereignisse rufen geradezu Déjà-vu-Erlebnis hervor. Das ist mehr als Geschichte hinter der Geschichte. Es entsteht somit eine zweite emotionale Ebene für den Besucher.
Gerade auch weil sich hier viele Größen des ehem. DDR-Fußball wiederfinden und der lokale und regionale Bezug unerlässlich ist. Speziell im Westen gibt es extreme Wissenslücken aus dieser Zeit des Ost-Fußballs zwischen 1945 und 1989. Diese nach und nach zu füllen genieße ich persönlich sehr, denn auch ein Fußballzeitreisender aus der Pfalz kann noch viel lernen.

Quasi als Meisterstück erzeugt Marcel eine Dritte Betrachtungsebene für den Besucher durch seinen persönlichen Bezug zur jeweiligen prominenten Sportlerpersönlichkeit von der die Exponate stammen.

Natürlich darf das großartige soziale Engagement des Vereins „Fußballzeitreise“ an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.
Trotzdem ist diese Ausstellung, die Marcel zusammengetragen hat etwas Einmaliges und zugleich die Triebfeder des dauerhaften Erfolgs der Fußballzeitreise.

Ich sage nur: Glückwunsch Marcel, denn das was Du tust ist Berufung und Gabe zugleich! Mit sportlichem Gruß und Bewunderung Hagen