TLZ vom 26.02.2015, Th. Czekalla, Talkrunde in Tabarz / Thüringen mit Norbert Nachtweih und Olaf Marschall !

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Presseberichte

Thomas Czekalla / 26.02.15 / TLZ Fußball-Stars Nachtweih und Marschall plaudern aus dem Nähkästchen Die beiden Ex-DDR- und Bundesligastars Norbert Nachtweih und Olaf Marschall plaudern bei der Fußballzeitreise e.V. in Tabarz über ihr Leben vor, während und nach der Karriere.

Die früheren Bundesligastars Norbert Nachtweih und Olaf Marschall (rechts) hatten am Montagabend in Tabarz bei der Fußballzeitreise e.V. viel zu erzählen. Foto: Art TV/Jürgen Creutzburg Tabarz. Der eine trägt seine Lockenpracht noch immer auf dem Kopf. Dem anderen sind die einst strohblonden Haare leicht ergraut. Olaf Marschall (49) und Norbert Nachtweih (57) waren Stars im DDR-Fußball und später auch in der Bundesliga. Ihre Namen ziehen noch immer. Wie am Montagabend bei der Talkrunde der Fußballzeitreise e.V. im Tabarzer Kulturzentrum KuKuNa. Der Saal war rappelvoll. Der frühere Leipziger Marschall und der frühere Hallenser Nachtweih plaudern aus dem Nähkästchen. Olaf Marschall verbinden heute viele vor allem mit seiner Zeit beim 1. FC Kaiserslautern (1994 bis 2002). Bei Norbert Nachtweih ist es die Zeit bei Eintracht Frankfurt und vor allem Bayern München (1978 bis 1989). Und vor allem seine Flucht 1976 aus der DDR. "Die war nicht geplant, war eher ein Zufall", erinnert er sich an die damalige Reise mit der U21-Nationalmannschaft der DDR in die Türkei. Im Hotel hatten er und sein damaliger Hallenser Mitspieler Jürgen Pahl in der Hotel-Lobby einen Reiseführer aus den USA kennengelernt. "Wir haben geplaudert. Zu lange. Wir hatten den Zapfenstreich des Teams um zehn Minuten überzogen und bekamen danach Ärger." Drohungen hatten die Fußball-Funktionäre damals ausgesprochen. Nachtweih, damals 19 Jahre jung, hatte es mit der Angst zu tun bekommen. Mit seinem Kumpel Pahl traf er sich am nächsten Tag, als die Mannschaft für zwei Stunden auf den Istanbuler Basar durfte, um die 30 Dinar Taschengeld unter die Leute bringen zu können, mit dem US-Reiseleiter. Mit ihm ging es ins amerikanische Konsulat. "Alleine", so Nachtweih, "wäre ich damals nicht geflüchtet. Da hätte mir der Mut gefehlt." Beide in Frankfurt tätig Nach einem Jahr Sperre begannen er und Pahl in Frankfurt. "Den Mut zu flüchten", sagt Olaf Marschall dagegen, "den hatte bei uns keiner. Das Thema gab es nicht." Mit 17 Jahren sei er in Bremen mal angesprochen worden, einen Job für 3000 bis 5000 DM bekommen zu können. "Ich wollte das nicht. Daheim war meine Familie." Längst war Norbert Nachtweih damals ein gefeierter Bundesligastar. Angst vor der Stasi, die 1983 Schuld am Tod des damals ebenfalls geflüchteten Berliners Lutz Eigendorf gehabt haben soll, hat er im Westen nicht gehabt. Er war ein Bundesligastar in den 80er Jahren. Für Deutschland durfte er wegen seiner Auswahlspiele für die DDR aber nie spielen. "Ich weiß", sagt Nachtweih, "dass Franz Beckenbauer mich 1990 als Libero mit zur WM nehmen wollte. Aber das ging nicht." Marschall hatte es da besser. Dank der Wende und der Wiedervereinigung spielte er drei Mal für die DDR und danach 13 Mal für das DFB-Team. Die Wende hat damals vor allem sein Leben verändert. "Geschätzte 100.000 Berater standen damals bei mir auf der Matte", erinnert er sich. Eigentlich wollte Marschall 1990 zu Hans Meyer nach Chemnitz. Gelandet war er schließlich in Österreich bei Admira Wacker Wien - für drei Jahre. Es war eine Umstellung. Vor allem vom Training her. "Wir haben bei Lok Leipzig", erzählt Olaf Marschall, "mehr trainiert als jemals danach. Bei Otto Rehhagel in Kaiserslautern zum Beispiel gab es auch Einheiten, wo wir nach dreimal fünf Runden um den Platz, wieder in die Kabine durften." Norbert Nachtweih, der Ältere, kennt diese großen Umfänge auch aus seiner Halle-Zeit: "Wir haben dort zu viel trainiert. Wenn der Ball mal ins Spiel kam, hatten wir vor lauter Lauf- und Krafteinheiten oft keine Lust mehr. Im Training in Frankfurt habe ich danach die ersten zwei, drei Jahre gar nicht geschwitzt." Längst haben beide die Töppen an den Nagel gehangen. Marschall aber ist noch heute vor allem in Kaiserslautern, wo er 1998/99 einmal mit einem Fallrückzieher ein "Tor des Jahres" erzielt hatte, ein Held für die Fans. Für die Traditionsmannschaft der Pfälzer ist er noch am Ball. Nachtweih hat noch gute Kontakte zum FC Bayern und zur Eintracht. Auch die Gefängnisstrafe von Bayern-Macher Ulli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung hat ihn beschäftigt. "Er ist ein sozialer Mensch, aber die Strafe ist gerecht. Das Zocken an der Börse war schon krankhaft bei ihm." Dem Fußball sind Olaf Marschall und Norbert Nachtweih treu geblieben. Marschall ist Chefscout beim Zweitligisten FSV Frankfurt. Nachtweih ist zusammen mit Eintracht-Legende Charly Körbel für die Fußballschule der Frankfurter Eintracht tätig. "Ein Job als Männertrainer", sagt er, kommt für mich nie in Frage." In Thüringen haben die einstigen Stars seit Montagabend einige Fußball-Freunde für sich dazu gewonnen. Zur Sache Ein Verein mit sozialem Engagement Der Leidenschaft von Marcel Wedow ist es zu verdanken, dass in Thüringen vor dreieinhalb Jahren das erste Fußball-Museum entstanden ist. Es ist kein Museum im herkömmlichen Sinne. Die Ausstellung widmet sich der Geschichte des Fußballs ab 1954. Hier können Stücke von bekannten Fußballern wie Fritz und Ottmar Walter, Uwe Seeler, Hansi Müller, Peter Ducke, Jürgen Heun und vielen mehr bestaunt werden. Die Schirmherrschaft über den Verein hat übrigens die "Uwe Seeler Traditionself" übernommen. Aus dieser Ausstellung heraus ist der Verein Fußballzeitreise e.V. entstanden. Er fördert und unterstützt Kinder, Jugendliche und Behinderte. Er unterstützt zudem Menschen mit Defiziten. Die Fußballzeitreise e.V. hält Vorträge an Schulen, Kliniken, Justizanstalten und Heimen, unterstützt soziale Projekte sowie auch Projektarbeiten in Schulen. Die Fußballzeitreise e.V. wird ehrenamtlich geführt.

Fotos Jürgen Creutzburg/Art TV